Renate Hirsch Giacomuzzi – Tod einer Märchenprinzessin
- Sven Barthel

- 19. Nov. 2019
- 4 Min. Lesezeit

Wo sie entlang stöckelte war Sommer. Jeder ihrer Schritte wurde begleitet von einem imaginären Schleier aus schwebenden Blumen und flatternden Schmetterlingen. Ein Farbtupfer im Grau des Alltags, ein Freigeist unter den konventionellen Gemütern der sogenannten besseren Gesellschaft; kultiviert, eloquent, und den Niederungen der Realität immer ein wenig
entrückt – das war Society-Lady Renate Hirsch-Giacomuzzi. Mit gerade einmal 65 Jahren erlag die gebürtige Bayerin Anfang Mai 2013 in einem Krankenhaus ihrer Wahlheimat Bozen ihrem Krebsleiden. Berühmt für ihr ultra-glamouröses Auftreten in Prinzessinnenroben, die selbst Kaiserin Sissi vor Neid hätten erblassen lassen, führte Renate Hirsch-Giacomuzzi ein Leben
nach ihrer eigenen Façon. Ohne Erklärungen und Rechtfertigungen.
Für den Gang zum Obstmarkt kleidete sie sich kaum anders als zum Polo in Sankt Moritz.
Sie konnte es sich leisten, sie selbst zu sein. Ein Haltung, die sie zum gern gesehenen Gast auf hochkarätigen Events rund um den Globus machte aber auch zur Zielscheibe von Missgunst, Spott und Häme, derer denen sie mit ihrer Makellosigkeit und ihrem Selbstbewusstsein die
Mittelmäßigkeit ihres eigenen Daseins vor Augen führte. Sie selbst drängte nie an die Öffentlichkeit, vielmehr suchte die Öffentlichkeit die Nähe zu ihr. Auf dem roten Teppich
umschwärmten sie Paparazzi, wie die Motten das Licht. Eine Frau mit unbedingtem Stilwillen, den auch der Krebs ihr hat nicht nehmen können. Partout verbat sie Angehörigen und
Freunden, ihre Krankheit zu thematisieren. So geschwächt sie auch war, Lippenstift, Wimperntusche und eine tadellose Frisur waren auch in den letzten Stunden ihres Lebens
Pflicht. Privates hielt sie privat und ließ Fragen nach ihrem Vermögen unbeantwortet. Dass schöne Kleider neben klassischer Musik und bildender Kunst zu ihren Leidenschaften zählten war unübersehbar. 1996 zählte die Zeitschrift Der Spiegel in einer Spezial-
Ausgabe zum Thema Mode, Renate Hirsch zum exklusiven Kreis der weltweit 300 Haute-Couture-Kundinnen.
Wohlhabende Damen, die sich Gewänder zum Preis eines Sportwagens leisten konnten und
wollten. Renate Hirsch liebte vor allem die Entwürfe von Valentino, Lacroix , Versace und Dior.
In Bezug auf ihre Garderobe hatte die quirlige Blondine stets genaue Vorstellungen wie etwas auszusehen hatte und war nahezu detailversessen. Als Modedesigner Ende der 90er
Jahre von Dienstleistern zu Medienstars avancierten und sich weigerten auf die Änderungswünsche der Hirsch einzugehen, blieb sie dem Pariser Modegeschehen fortan fern und ließ ihre Roben nach eigenen Vorstellungen von einer Münchner Schneiderin maßfertigen. Darauf abgestimmt waren auch Taschen und Schuhe, aus dem gleichen Oberstoff. Doch
auch Sonnenschirme und ellenbogenlange Handschuhe wusste sie zu handhaben. Was andere kostümiert aussehen ließ, wirkte an ihr ganz natürlich. Mit einem Wagenrad-großen
Hut zum „five-o-clock tea“ ins Savoy? Aber natürlich!
Ihr Stil erinnerte an die Belle Époque: Seidentaft, bauschige Unterröcke, meterweise Spitze, florale Stickereien und tonnenweise Schmucksteine. Das Ganze in kräftigen Farben
von Himmelblau bis Pistaziengrün über Dottergelb zu Rosarot. Einen weißen Nerzmantel ließ sie sich zusätzlich noch mit roten Pelzrosen verzieren, andere Pelze ließ sie bunt einfärben.
Mit deutscher Pret-à-Porter wusste sie nichts anzufangen. Zu sachlich. Sie bevorzugte Fantasievolles, Verspieltes, Opulentes. Niemals sah man sie in Schwarz. Sie
hasste diese Nicht-Farbe. Den passenden Schmuck zu ihrem Cinderella-Look fand sie bei Harry Winston, Graff und Buccellati. Die Pretiosen anderer Nobeljuweliere
kommentierte sie einmal mit dem Satz:
„Nein Danke, Ihre Steine sind mir zu klein!“
Zuhause war sie auf der ganzen Welt, vornehmlich dort wo es idyllisch zuging. Bereits als Studentin der Kunstgeschichte bewohnte sie eine großzügige Dachterrassenwohnung in
bester Lage von Münchens Nobelviertel Bogenhausen. Während der Sommermonate genoss sie den Service des Luxusressorts „Cala die Volpe“ an der Costa Smeralda von
Sardinien. Sie zählte zum Inventar des Wiener Opernballs, besuchte regelmäßig die Salzburger Festspiele, den Münchner Filmball, feierte Silvester auch schon mal in Indien,
bereiste unzählige Male London, Paris und New York. Nur Dubai, wo ihr Sohn Leander lebt, und Berlin konnte sie nicht viel abgewinnen. „Bis auf die Museumsinsel, kann ich dort nichts Schönes entdecken“, sagte sie einmal über die deutsche Hauptstadt.
Im Pariser Ritz begegnete sie einst Pop-Art-Legende Andy Warhol, der sie porträtieren wollte. Sie lehnte ab. Denn Warhol, der erst nach dieser Begegnung Kultstatus erlangte, schien ihr mit seinem kalkweißen, schwitzigen Teint und dem schuppigen Haar, "verdächtig ungepflegt." Rückblickend kommentierte sie das Zusammentreffen mit dem Pop-Art Gott mit einem
nonchalanten „Ach hätt’ ich es doch bloß gemacht!"

Häufig als Millionärsgattin tituliert, sprach sie sich vehement gegen diese Bezeichnung aus. „Das hat etwas von begatten, wie in der Tierwelt, oh Graus!“ Auch wenn ihr Mann,
(Bau-)Unternehmer Hans Giacomuzzi nicht unvermögend ist, so war Renate Hirsch als Tochter und Erbin eines Textilunternehmers, der in den 50er Jahren ein Vermögen mit der Herstellung von Strickwaren en Masse für Versandhäuser machte, von Geburt an privilegiert und finanziell unabhängig. Ihr Leben lang hielt sie sich beschäftigt ohne jemals wirklich arbeiten zu müssen. Angebote, mit ihrem wohlklingenden Namen Kasse zu machen, erreichten sie immer wieder. Mal war eine eigene Kosmetiklinie im Gespräch, mal eine Modelinie in Planung.
Doch die Sprache der Raffhälse mit den Dollarzeichen in den Augen war nicht die der Renate Hirsch. Entweder genügten die Beteiligten intellektuell und zwischenmenschlich nicht
ihren Ansprüchen oder ihre Attitüde erwies sich als nicht massenkompatibel. „Woher soll ich wissen, was fremde Menschen anziehen wollen?“
Was der Paradiesvogel nun wohl im Himmelreich tragen wird? Ein Kleid aus bauschigen Wolken, übersät mit glitzerndem Sternenstaub? Für Renate Hirsch wäre das nicht
ungewöhnlich.



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