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Escada - eine Diva auf Abschiedstour

  • Autorenbild: Sven Barthel
    Sven Barthel
  • 25. Juli 2009
  • 6 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 22. Juli 2019

Die vor einigen Wochen versandte Pressemitteilung des Mode-Event-Veranstalters IMG über die Teilnahme Escadas bei der Berlin Fashion Week, ließ Fashionistas zunächst gespannt aufhorchen. Wer allerdings eine Show des Modehauses erwartete, wurde enttäuscht oder

besser gesagt, anderweitig überrascht. Das Unternehmen aus Aschheim bei München inszenierte „lediglich“ eine Ausstellung im Berliner Bode Museum und lud zu diesem

Anlass Promis und Medienvertreter ein, die sich dann noch einmal auf Kosten der ohnehin finanziell gebeutelten Firma bei Champagner und finger food verwöhnen lassen durften. Statt neuer Looks gab es eine schreiend pinke Einladung.


Von Krise keine Spur. Während die an der Berliner Modewoche teilnehmenden Designer bei Tag ihre neuesten Kreationen vor den Augen der berühmten Modekritikerin Suzy Menkes über den Laufsteg schickten, zeigte Escada am Abend eine bombastische Retrospektive: Kollektions-

Highlights der letzten 30 Jahre. Angesichts der Tatsache das Firmenchef Bruno Sälzer seit seinem Interview mit einer großen Sonntagszeitung vom 12.07., eine mögliche Insolvenz des Unternehmens nicht mehr auszuschließen vermag, wirkt Escadas Party-Sause, im Rückblick wie der letzte Akt einer alternden Diva auf Abschiedstour.


Seit Monaten hagelt es in der Presse Negativschlagzeilen für Escada. Dem von Wolfgang Ley und Margaretha Ley 1976 gegründeten Haus brechen die Umsätze weg. Fehlbeträge von zuletzt mehr als 70 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2008 bereiten der Konzernführung

massive Probleme, berichtet die Wirtschaftspresse. Die Lage ist bedrohlich, eine drastische Änderung der Situation ungewiss. Schon auf der letzten Hauptversammlung der Escada AG im April dieses Jahres, warnte Escada Vorstandschef Bruno Sälzer die Aktionäre gar vor einer

möglichen Insolvenz. Die Nachwehen des Missmanagements durch seinen Vorgänger Jean-Marc Loubier sind schmerzhaft. Um weiter bestehen zu können müssen bis Ende Juli 80

Prozent der Aktionäre der Umschuldung einer Anleihe von 200 Millionen Euro zustimmen und dabei auf einen bedeutenden Anteil ihres Einsatzes verzichten. Andernfalls gibt es für Escada von den Banken keine Kredite mehr und dies würde die tatsächliche Insolvenz für das Unternehmen bedeuten.

Escada in der Krise: Wie konnte Deutschlands einstiges Aushängeschild für Luxusmode und größter Hersteller von Damenkonfektion derart ins Abseits geraten?


Gleich vorweg: Escada ist kein Opfer der aktuell weltweiten Wirtschaftskrise. Schon seit Jahren schreibt der Konzern rote Zahlen. Die Gründe für die Schieflage sind komplex und weitgehend hausgemacht. Da ist zum einen die hohe Fluktuation auf der Führungsebene, die das Unternehmen lange nicht zur Ruhe kommen ließ. Nachdem Unternehmensgründer Wolfgang Ley (72) zum 01. Januar 2006 seinen Platz als Vorstandvorsitzender der Gesellschaft für Frank Rheinboldt räumen musste, wurde dieser bereits nach 14 Monaten vom

russischen Großaktionär Rustam Aksenenko geschasst. Dieser wurde mit der Übernahme von 25 % der Aktien durch seine Firma Finartis zum Mehrheitseigner, hatte damit zwar

das Sagen aber noch keine Modekompetenz erworben. Auf den „geerdeten“ Rheinboldt, der die Sanierung Escadas nach dem Geschmack Aksenenkos nicht schnell genug vorantrieb, folgte, der in der Branche als überdurchschnittlich eitel geltende Franzose Jean-Marc Loubier. Der ehemalige LVMH-Manager sprach zwar kein Wort Deutsch, hatte aber Großes vor. Ziel war es, Escada binnen 5 Jahren zu einem der weltweit führenden Luxuskonzerne aufzubauen. Dann kauften 2008 die Brüder Herz, Eigner der Kaffeerösterei Tschibo und somit zwei der reichsten Männer der Bundesrepublik, ein Viertel des Aktienpaketes und stiegen in das

Geschäft mit der Luxusklamotte ein. Somit wurde wiederum Loubier nach gerade mal einem Jahr im Amt vom ehemaligen Boss bei Boss - Bruno Sälzer - im Juli 2008 als Vorstandschef abgelöst. Die Hintergründe wurden in Handelsblatt, Textilwirtschaft, Financial Times ausführlichst beschrieben. Parallel hierzu wirkte sich auch die anonyme Anzeige bezüglich des Aktienverkaufs durch das ehemalige Vorstandsmitglied Beate Rapp, der man Insiderhandel unterstellte, negativ auf das Image des Unternehmens aus.


Während die Besetzung der Führungsetage von Wirtschaftsredakteuren heiß diskutiert wurde, blieb die Frage nach der Designqualität, dem Modegrad und dem Firmenimage zumeist unkommentiert oder wurde nur oberflächlich angerissen. Die Finanzblätter wussten zwar die

betriebswirtschaftliche Situation Escadas zu analysieren, jedoch nicht das Produkt!


Bei den Modemagazinen verhielt es sich naturgemäß umgekehrt. Diese verzichteten so dann auch weitgehend auf die redaktionelle Veröffentlichung von Kollektionsteilen innerhalb ihrer Modestrecken. Ausnahmen bildeten, die in München ansässigen Publikationen, Vogue, Elle und Madame, bei denen Escada nach wie vor ganze Werbeseiten schaltet(e).


Ohne es selbst zu realisieren hatte Escada den Anschluss an den Zeitgeist verloren.

Seit 2006 schießen Modeblogs wie Pilze aus dem Boden, feiern den sogenannten Streetstyle, und Mode aus Skandinavien und promoten den Mix aus high und low. Magazine wie Deutsch, Sleek und Zoo featuren entweder Avantgarde oder einen eigenwilligen Berlin Look. Münchner Tüddelü? No way! Seit dem findet der madamig Stil Escadas immer weniger Abnehmerinnen und bringt allenfalls noch die Leserinnen dünnblättriger Adelspostillen zum Schwärmen.

Überhaupt das Image: Zu ihren Glanzzeiten stand Mode von Escada für Lebensfreude, Weiblichkeit mit Rundungen, satte Farben, das pralle Leben eben. Die Marke galt als Synonym für Luxus made in Germany. Doch mit der Jahrtausendwende kam der Euro und mit ihm ein Wandel des gesellschaftlichen Klimas. Der Escada-Glamour wirkte fortan schlichtweg altbacken und überholt. Provinziell und wenig global. Hinzu kommt dass der Siegeszug des Internets das gesellschaftliche Modebewusstsein stark beeinflusst. Seit der Begriff "Style"

ganz inflationär jeden dritten Joghurtbecher ziert und Trends per Mausklick in Sekundenschnelle aus dem Netz abrufbar sind, ist Mode demokratischer geworden. Hinter

vorgehaltener Hand stand Escada ohnehin nie für einen besonders eigenständigen Stil, sondern war immer nur die Kopie von etwas Anderem. Ein bisschen Chanel, ein bisschen

Valentino, die Farben Yves Saint Laurents, die weißen Blusen von Ferré. In Zeiten des restriktiven Informationsflusses vor dem Internet-Boom und vor der Etablierung der Billig-Fluggesellschaften fiel dies jedoch niemanden auf. Vergleiche waren nicht per Klick abrufbar, wie es heute der Fall ist.


Dass sich im vergangenen Jahr auch noch die amerikanische Vizepräsidentschaftskandidatin der Republikaner und vehemente Abtreibungsgegnerin Sarah Palin als Escada-Fan

outete, war für den Ruf des Modehauses auch nicht gerade förderlich.


Brian Rennie, von 1986 bis 2006 als Designer bei Escada tätig, ab 1994 in der Position des Creative Directors, war nach 20 Jahren Betriebszugehörigkeit stilistisch offenbar festgefahren. Seine Handschrift galt als veraltet und er selbst war möglicherweise zu unflexibel, um sich umzustellen. So holte man im Oktober 2006 schließlich Damiano Biella, der zuvor

als Headdesigner bei Valentino arbeitete, als neuen Kreativchef ins Haus. Er gilt als latent schwierig, doch die Kollektion wurde unter seiner Federführung moderner, internationaler und von der Presse gut aufgenommen. Der erhoffte kommerzielle Erfolg blieb leider trotzdem aus.


Aufgrund ständiger Umstrukturierungsmaßnahmen verwässerte die Identität der Marke zusehends. Die Kollektionen wurden zwar jünger, vermochten aber auch kein lautes "Bäm" auszulösen. Zudem gelang es Escada auch unter Biella nicht, sich von seinem piefigen Goldknopf-Image zu befreien. Am Cool-Faktor mangelt es Escada bis heute - den haben aktuell Labels wie Marc Jacobs und Chloé für sich gepachtet.


Desweiteren hat sich Luxus per se neu definiert und besteht nicht mehr in der Zurschaustellung eines perfekt sitzenden Kostüms, eines teuren Schmuckstücks oder von Pelz, an dem

Escada trotz massiver Proteste von Tierschützern nahezu borniert festhält. Vielmehr manifestiert sich Luxus heutzutage in einem kultivierten Lebensstil. Leider hat Escada auch hier versäumt, neue Werte zu kommunizieren.


Escada und seine unsportliche Zweitlinie "Escada Sport"


Ein weiteres Problemkind ist das Design der Linie Escada Sport. Zu bieder! Frauen, die sich Escada leisten können und wollen, sind in der Regel modisch informiert und lassen sich

keine weiße Denimröhre auf ihre Oberschenkel schwatzen, die aussehen als wäre man damit im Jahr 1985 direkt von der Reling des Traumschiffs an Land gesprungen. Weite T-Shirts

mit mickrigen Strass-Applikationen auf Brusthöhe; dass ist bestenfalls Appelrath-Cüpper, aber keinesfalls high fashion. Warum schwächt Escada das nun schon ohnehin angekratzte Exklusiv-Image seiner Hauptlinie mit konstant schwachen Kollektionen seiner Zweitlinie?


Allein die Namensgebung ist völlig wiedersinnig: Escada und Sport, das ist in etwa so glaubwürdig als würde sich Woolworth ein „Deluxe“ anhängen. Neben den vielen augenfälligen Gründen was Escada alles hätte anders machen können, gibt es auch Aussagen von Mitarbeitern, die die Diskrepanz zwischen denen da oben und denen da unten monieren. Ein Teil der herzlichen und verdienten Schnittmacherinnen mit ihren Helm-Frisuren und der gedrehten Brillenkette vor der üppigen Brust sind über 50 und schon lange Zeit für Escada

tätig. Sie kennen die Firma noch unter der Führung von Wolfgang Ley und der kreativen Regie Brian Rennies. Nicht wenige von ihnen wünschen sich die beiden zurück und das

hat Gründe: Wo im Bemühen um mehr Internationalität Designer mit gebrochener Handgelenksgeste und hochgezogenen Augenbrauen auf Englisch Anweisungen geben, „Do it like…!", "Why don’t you…?", "This should be…!“, und statt zu loben immer bloß fragen „Why haven't you…?“ sind Unmut und eine innere Protesthaltung an der Basis vorprogrammiert. Derlei Attitüden sind auf Dauer Gift für das Betriebsklima, scheinen bei Escada aber an der Tagesordnung zu sein.


Über Machtkämpfe und Eitelkeiten verliert so mancher Akteur der Modewelt leider allzu oft das Wesentliche aus den Augen: die Kollektion. Hier sind Designer mit Weitblick und sozialer

Kompetenz gefragt. Nur selten sind das die großbürgerlichen Berufssöhne aus den Mailänder Salons. Designer und Manager, die das Unternehmen bloß als Sprungbrett für ihre

weitere Karriere nutzen und in Escada nicht mehr als eine dicke Kuh im Abendkleid sehen, die ordentlich abgemolken werden muss bevor man sie zur Schlachtbank führt, passen

nicht zu einem Unternehmen, dessen Wurzeln in einem Bundesland liegen, in dem Traditionen stärker gewahrt werden als im Rest der Republik. Was bei Escada nach wie vor stimmt, ist die Qualität. Bevor ein Stoff zugeschnitten wird, wird er gedehnt, gedämpft, gebügelt. Offene Kanten werden mit Paspeln eingefasst. Die Stoffe sind wertig und griffig, die Knöpfe aus Naturmaterialen, Kragenrundungen sind perfekt ausgeformt und Zierstiche überzeugen durch

akribische Gleichmäßigkeit. Die Schnitte sind akkurat und die Passformen makellos. Diese Qualität ist ein fester Wert in Escadas Firmengeschichte.


Neben Missmanagement und einem Design, dass nichts riskiert, agiert auch noch der Zeitgeist gegen Escada. Mondänität hat es gerade schwer. Eine Diva lässt sich nicht gerne etwas vorschreiben, ein Richtungswechsel bloß um die Gunst des Publikums nicht zu verlieren wäre Selbstverleugnung und ist somit inakzeptabel. Ein dramatisches Ende ist somit fester Bestandteil des Diventums. Doch ein Unternehmen ist eben keine Einzelperson, an ihm hängen hunderte Existenzen - Grund genug also sich jetzt neu zu erfinden.

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